ROTKÄPPCHEN UND HERR WOLFF 6+

von Sergej Gößner

Uraufführung

Rotkäppchen Anna Sonnenschein
Herr Wolff Antonia Schirmeister
Frau Eberle/Wusel Katrin Hauptmann
Jäger/Wiesel Carl-Ludwig Weinknecht
ma/Herr Kleinlich Benjamin Schardt

Regie Caroline Stolz
Bühne/Kostüme Nina Wronka
Komposition/Musikalische Leitung/Musik Timo Willecke
Gesangseinstudierung Silvia Willecke
Schlagwerk Lucas Dillmann
Dramaturgie Alexander Olbrich

Spieldauer 60 Minuten
Premiere 28 OKT 21, Schauspielhaus
Aufführungsrechte Verlag Felix Bloch Erben, Berlin | www.felix-bloch-erben.de

Veranstaltungstechnik David Kreuzberg (Technischer Leiter/ Beleuchtungsmeister), Claudia Kurras (stellv. Technische Leiterin/Bühnenmeisterin), Nikolaus Vögele (Beleuchtungsmeister), Fredo Helmert (Leiter der Tonabteilung), Lutz Patten (Assistent der technischen Leitung), Reinhold van Betteraey, Jens Gerhard, Markus Hermes, Ivan Hristov (Medientechnik / IT), Erhad Kovacevic, Daniel Marx, Maik Neumann, Stefan Ostermann, Katrin Otte, Lutz Schalla, Matthias Schöning, Michael Skrzypek, Til Topeit, Oliver Waldhausen, Peter Zwinger Auszubildende Nour al Hamdan, Leona Kittlaus, Malte Meuter, Tim Rettig, Elias Triebel Werkstätten Schreinerei/Schlosserei Engelbert Rieksmeier (Werkstättenleiter), Lutz Meuthen, Jorge Denis Corrales Mora, Jonas Henke, Peter Herbrand, Johannes Selzner Auszubildende Werkstätten Mitja Hennig, Justin Simon, Aaron Czirr Malsaal Sarah Durry (Leiterin Malsaal), Natalie Brüggenolte (in Elternzeit), Laura Conigliello, Dmytro Fedorovic Zhdankin, Luna Warnke, Maria Felicia Montemurro Gewandmeisterei Alide Büld (Leiterin der Kostümabteilung), Waldemar Klein (Leiter der Herrenabteilung, Herrenschneidermeister), Ute Dropalla (Garderobiere), Pauline Gez (Garderobiere), Susanne Groß, Maria Knop, Alina Listau, Anna Listau, Sophia Meuser Maske Marthe von Häring (Leiterin der Maske), Marleen Fee Hackenberg, Laura Rösch Requisite Birgit Drawer (1. Requisiteurin), Lara Maury

Insofern nicht anders markiert, sind die Texte Originalbeiträge von Alexander Olbrich.

Fotos Marco Piecuch, Plakatfoto Simon Hegenberg

Bitte beachten Sie, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind.

Die Dorfgemeinschaft ist in Aufruhr: Ein Wolf wurde gesichtet und allen voran der Jäger plädiert dafür, mit dem Untier kurzen Prozess zu machen. Nur das Rotkäppchen stellt Fragen und würde lieber erstmal mit ihm reden. Auf seinem Weg durch den dunklen Wald lernt es den zwar etwas seltsamen, aber durchaus charmanten Herrn Wolff kennen. Gemeinsam machen sie sich auf zur Großmutter und bestehen verschiedene Abenteuer, damit Herr Wolff seine wichtige Aufgabe erledigen kann: Den alten Mond zu schütteln, auf dass er wie neu am Himmel leuchte.
Sergej Gößners Überschreibung des weltbekannten Stoffes hebelt Vorurteile über »das Fremde« aus und stellt humorvoll alte Klischees auf den Kopf.


Sergej Gößner wurde 1988 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Nach seinem Abschluss an der Schauspielschule Mainz, führte ihn sein Erstengagement zunächst an das Junge Staatstheater Wiesbaden. Nach späteren Ausflügen in den Abendspielplan als Ensemblemitglied am Tiroler Landestheater Innsbruck und am Stadttheater Pforzheim, zog es ihn zuletzt an das Junge Schauspielhaus Hamburg und somit endgültig ins Kinder- und Jugendtheater. Neben seiner Tätigkeit als Schauspieler schreibt Sergej Gößner für die Bühne. Sein Debütstück »Mongos« war 2016 für den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts nominiert und wurde 2018 mit dem JugendStücke-Preis ausgezeichnet. »Wegklatschen. Applaus für Bonnie und Clyde« wurde im Rahmen des Festivals »Kaas & Kappes« 2020 mit dem 22. niederländisch-deutschen Kinder- und Jugenddramatiker-preis prämiert. Sein Monolog »lauwarm« erhielt den Berganus-Preis 2019 und war auf der Shortlist des Brüder-Grimm-Preises des Landes Berlin. Zuletzt schaffte es seine Bearbeitung »Die überraschend seltsamen Abendteuer des Robinson Crusoe« auf die Auswahlliste des Deutschen Kindertheaterpreises.
Besonders engagiert sich Sergej Gößner für die Anerkennung des Kinder- und Jugendtheaters. So schrieb er u.a. für die internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche »ASSITEJ« die Botschaft »Wir sind relevanter!« zum Welttag des Theaters für junges Publikum 2020. Nach »Mongos« in der letzten Spielzeit kommt am RLT Neuss nun mit »Rotkäppchen und Herr Wolff« ein zweites Stück von ihm zur Aufführung.

Foto: Alexander Olbrich

Das folgende Gespräch fand am 19. September 2021 vor der Premiere von »Rosi in der Geisterbahn« zwischen dem Autor Sergej Gößner und dem Dramaturgen Alexander Olbrich im Rheinischen Landestheater statt. Die Transkription gibt den lockeren Umgangston wieder, in dem es stattgefunden hat.


Lieber Sergej, du hast nun bereits eine Reihe von Kinder- und Jugendstücken geschrieben und auch schon einige Preise dafür eingeheimst. Am RLT Neuss zeigen wir nach »Mongos« in der Spielzeit 2019/20  nun mit »Rotkäppchen und Herr Wolff« ein zweites Stück von dir hier. Wie kamst du zu der Stoffwahl?

Ich habe bisher nur »Mongos«, mein allererstes Stück, eigeninitiativ geschrieben und danach waren alle anderen Texte Aufträge bis auf »Rotkäppchen und Herr Wolff«. Ich wollte unbedingt mal ein Weihnachtsmärchen oder ein sogenanntes Familienstück schreiben. Und hatte große Lust ein Märchen zu bearbeiten, das neu zu erzählen. Dann stieß ich auf Rotkäppchen und mein erstes Anliegen war eine Lanze zu brechen für die Spezies Wolf. Natürlich sollte das alles irgendwie für die ganze Familie sein und unterhaltsam und... ja. Das war der Weg, erstmal. So kam ich auf Rotkäppchen.

Und wie kamst du darauf, jetzt für Wölfe eine Lanze zu brechen?

Ach, ich fand es schon immer, auch als Kind schon, ziemlich ungerecht, wie Wölfe in Märchen dargestellt werden. Diese Geschichten sind ja zumeist auch sehr brutal, also – je nach Erzählweise –  befreit der Jäger am Ende Rotkäppchen und die Großmutter aus dem Bauch des Wolfes, schneidet  den Wolf auf, packt Steine rein, näht ihn wieder zu und wirft ihn in einen Brunnen...das ist alles ein bisschen sehr, sehr grausam – also das personifizierte Böse ist gleich Wolf. Das ist Quatsch. Ich sehe das... ich, persönlich, sehe das eher umgekehrt. Tatsächlich.

Findest du auch, dass die Grimmschen Märchen nicht mehr zeitgemäß sind?

Ja! Das ist schwarze Pädagogik. In Rotkäppchen geht es um das Fremde. Der Wolf steht für das Fremde, für eine potenzielle Bedrohung, mit der man erst gar nicht sprechen soll. Und das finde ich nicht mehr zeitgemäß.

Wann begann nochmal die Arbeit? Es ist ja eines der Themen des Stückes, Vorurteile abzubauen gegenüber dem Fremden und es gibt schon einige recht deutliche Anspielungen auf die Flüchtlingsthematik.  

Ja… ich glaube das war 2016. Was total passt, weil 2015 war das alles sehr präsent, schlagartig...

Absolut!

AfD, Angela Merkel mit »Wir schaffen das«, Seehofer mit seiner Obergrenze...

Stimmt! Und die AfD fordert in Teilen Ostdeutschlands auch wirklich eine Obergrenze für Wölfe…

Ja, genau. Das Thema interessiert mich persönlich wirklich, diese  Wolfsthematik und auch meine persönliche Endgegnerin Julia Klöckner, die von einem »Bestandsmanagement« spricht. Und das finde ich... dieses Wort ist so pervers, wenn man weiß, worum es da eigentlich geht. Es geht darum den Bestand zu regulieren, es geht um Tötung und um, ja, Abschuss und wir haben momentan etwa lächerliche 800 Wölfe hier in Deutschland. Ich weiß nicht wie viele Rudel das sind. Auch nicht allzu viele. Also, der Mensch greift permanent in die Natur ein und zerstört Ökostysteme und lernt offensichtlich – können wir ja sehen anhand dieses Beispiels, hier Julia Klöckner – lernt überhaupt nicht dazu.

SCHREIBEN

Mich würde nochmal der Schreibprozess interessieren, von »Rotkäppchen und Herr Wolff«. Also du sagst, du hast ungefähr 2016 angefangen. Wie läuft das dann bei dir ab? Ich sag‘ mal, war das ein One Take?

- Ja.
- Ja? Tatsächlich?
- Ja.
- Okay (lacht).

Ich bin ganz schlecht im Wegkloppen, also was in den Papierkorb rüberschieben, das fällt mir sehr schwer. Ich feil‘ meist so lange, bis es stimmt. Für mich ist es immer ein bisschen wie eine Skulptur. Man hubbelt da ein bisschen was weg, dann packt man da wieder was dazu, dann entsteht da langsam dieses Werk, sozusagen das Stück, in dem Fall. Und das war…ich wollte dieses Familienstück schreiben, dann kam ich auf Rotkäppchen und dann lief alles ziemlich schnell und sehr intuitiv ab. Ich mach‘ selten vorher so etwas wie ein Konzept. Ich schreib‘ einfach los und lasse die Figuren aufeinander treffen und miteinander sprechen. Also hab‘ ich mit der ersten Szene begonnen und dann habe ich geguckt, was da so passiert, und dann gibt's die Geschichte ja auch schon. Zuvor hatte ich schon einen groben Plot und dachte: »Oh, das könnte interessant sein, hier, der und der Aspekt«, und dann hat sich das so entwickelt.

MÄRCHEN

Bist du mit Märchen aufgewachsen?

Ja. Wir hatten diverse Märchenbücher zu Hause. Und ich weiß noch, dass ich die alle unfassbar grausam fand... das Blaubart-Märchen zum Beispiel, von dem, der seine toten Frauen im Keller sammelt, oder die Gänsemagd, was auch unfassbar brutal ist - unfassbar brutal! -, da wird ein Pferd geköpft und das hängt dann am Tor und das spricht die ganze Zeit noch weiter, und dann kommt diese Folter, ich glaube die Gänsemagd wird am Ende in so ein Fass reingesetzt und da sind so Nägel durchgeschlagen und dann wird sie am Pferd durch's Dorf gezogen, in diesem Fass! Also, es ist wahnsinnig brutal.

Also, man merkt schon, da äußerst du eine deutliche Kritik an den Märchen und nun geht es darum, neue Fassungen für unsere Zeit zu schreiben…

Genau! Was ist da inhaltlich interessant und wie kann man es eben drehen, also bei »Rotkäppchen und Herr Wolff« ist der Jäger so ein bisschen der Bösewicht und der Wolf ist der Held, oder nicht der Held, aber er ist sicher nicht böse. Das passt auch ganz gut zum Spielzeitmotto Empathie, eigentlich. Wie begegnet man dem Fremden? Das finde ich interessant. Das zu suchen. Oder wie man das zeitgemäßer erzählen kann.

SCHAUSPIELER & AUTOR

Sergej, du bist auch ausgebildeter Schauspieler. Spielst du gerade auch?

Momentan, vor allem durch Corona, spiele ich nicht. Ich hätte am Jungen Schauspielhaus Hamburg, wo ich zuletzt engagiert war, als Gast weiter gespielt, dann kam diese weltweite Pandemie und es ist schon auch so, dass ich jetzt ein bisschen Abstand nehmen möchte, wieder Lust kriegen möchte zu spielen. Ich habe das 10 Jahre gemacht, in 4 Ensembles habe ich gespielt, immer fest angestellt. Immer so 2-3 Jahre und jetzt einfach mal durchatmen und, ja, wieder Lust auf diese Arbeit bekommen.

Und wie kam der Wechsel – vom Schauspiel in's Autorenfach?

Ich bin mit 18 Jahren an die Schauspielschule und habe da dann erstmal gelernt, was Theater überhaupt ist, das wusste ich vorher nicht so wirklich. Ich hatte so ein Gefühl, dass ich dachte: "Ja, das könnte ganz gut passen. Ich sehe mich jetzt nicht in 'nem klassischen Bürojob", und dann habe ich mich so ein bisschen in's Theater verknallt. Und ziemlich schnell gemerkt, dass mir das nicht ausreicht, nur Spieler zu sein, weil ich dann dieses Medium so wenig mitgestalten kann. Und dann war auch noch diese jugendliche Hybris am Start. Und ich dachte, was ich da so lese und was wir in szenischen Studien erarbeiten, das kann ich auch. Hab‘ ich so gedacht mit 18, 19, 20. (Alexander lacht.) Und dann hat's 5, 6 Jahre gedauert, bis ich dann »Mongos« geschrieben habe, weil ich ja dann erstmal Schauspieler war und im Festengagement und da blieb dann nicht so viel Zeit dafür.

Hast du dich nicht in irgendwelchen Eigenarbeiten im Studium ausprobiert? Gab es sowas nicht? Wo warst du denn eigentlich?

Ich war an einer privaten Schauspielschule in Mainz, da war ich von 2007 bis 2010 und es gab das Fach »Wahlrolle«, also da konnte man sich selber was aussuchen und erarbeitet das selbst und da habe ich dann einen Monolog selbst geschrieben. Vorab musste man einen Zettel abgeben, was man jetzt genau macht, welche Rolle, aus welchem Stück. Wir haben von der Dozentin 'ne Liste bekommen. »Ah, der macht das, die macht das«, und dann hab ich ein Pseudonym angegeben, also ich habe geschrieben: »Ich spiele Guido Satt aus dem Stück »Gesättigt« von Rogér Gée.« Und dann habe ich das performt und meine Dozent*innen waren wirklich so begeistert und so positiv und dann haben sie gesagt: »Rogér Gée, wer ist das? Sag uns das doch mal. Den kennen wir nicht.« Dann habe ich sehr glücklich, Freude strahlend gesagt, dass ich das bin und ähm, ja. (Alexander lacht.) So ging das los.

Und du schreibst gerade nur für Theater?

Ja. Ich habe auch schon die eine oder andere Kurzgeschichte geschrieben, aber ich schreibe wirklich wahnsinnig gerne Dialoge. Also, ich kenne Kolleg*innen, die jetzt auch Romane beginnen zu schreiben und eigentlich auch von der Dramatik kommen und das finde ich wahnsinnig faszinierend. Aber ich bin nicht so der Fließtexttyp. Ich habe einen Monolog geschrieben fürs Junge Schauspielhaus und das waren nur 14 Seiten und das war schon hart genug (Alexander lacht). Ich mag es schon sehr, Figuren einfach miteinander sprechen lassen.

Würdest du sagen deine Schauspielausbildung hilft dir beim Schreiben?

Das kann ich so schlecht beurteilen, weil ich ja nicht weiß wie es ist zu schreiben, ohne Schauspieler zu sein, aber natürlich bin ich auch so – um das Wort jetzt zu strapazieren – ich bin auch so Theatermacher oder Theaterpraktiker. Also, ich weiß, wie das abläuft; und es gibt ganz viele Autor*innen, die sich dafür auch wenig interessieren und auch die Arbeitsweise vom Theater nicht kennen und das kann eine Riesenqualität sein, dann einfach so einen Text rauszuhauen und zu sagen: »So, viel Spaß bei der Umsetzung.« Und das finde ich dann manchmal schade, dass ich nicht anders denken kann, sozusagen. Weil ich schon sehr an den Konsumenten denke beim Schreiben. Also ich denke an die Zielgruppe und ich denke daran »Okay das muss ja... wird ja stattfinden. Das wird ja umgesetzt. Das wird inszeniert und interpretiert.« Das schwingt mit, ganz automatisch.

KINDER- & JUGENDTHEATER

Apropos Zielgruppe, wie kamst du gerade auf Theater für Kinder und Jugendliche, was begeistert dich daran besonders?

Da bin ich ja auch anfangs reingerutscht. Das war mir nicht bewusst. Ich habe »Mongos« geschrieben, das habe ich nicht als Jugendstück geschrieben. Ich habe ein Stück geschrieben, danach wurde das kategorisiert und dann dachte ich »Hallo, 'tschuldigung. Warum jetzt dieser Stempel?« Mittlerweile mache ich das wahnsinnig gerne, weil das ist so mein Slogan, meine Kampfparole: »Wir sind relevanter.« Also wenn wir über die heutige Relevanz des Theaters sprechen wollen, dann müssen wir über Kinder und Jugendtheater sprechen, weil da sitzt das heterogene Publikum. Da hat man fast alle Schichten, da hat man wahnsinnig diverses Publikum und man hat einen Auftrag und das reizt mich sehr. Das finde ich toll.

Hast du denn ein Lieblingsalter? Ich hab hier nämlich noch diese Frage für dich, die lese ich mal kurz vor: »Wenn du von der Eiskönigin gefragt würdest, in welchem Lebensstadium sie dich für immer einfrieren soll, wie alt wärst du, was hättest du an und wie guckst du?«

Ja, ja. (lacht) Ich würde wahrscheinlich irgend'ne Grimasse machen, ich mach‘ so ein Augenrollen, so ein genervtes nach oben... Sowas fänd‘ ich irgendwie gut. In Ewigkeit, in alle Zeit einfach genervt gucken und auch wenn man sich vorstellt, ich wurde gerade eingefroren, dass man so denkt: »Och, come on, really?« Das fände ich schön und ansonsten, vom Alter her, ja, so wie jetzt finde ich eigentlich auch schon... ich weiß es gar nicht. Ich frage mich dann auch… Ähm, das ist ja eigentlich auch richtig schlimm. Ich will da gar nicht eingefroren sein. (Alexander lacht.) Ähm, vielleicht auch möglichst alt? Das habe ich mir auch gedacht, wiederum, dass ich eigentlich schon mal ein ganz schönes Leben gehabt habe. Dann werde ich mit, weiß ich nicht, 102, für alle Zeit augenrollend eingefroren. Find‘ ich auch ganz schön. Ja, so. So irgendwie.

Okay, ein Hundertzweijähriger augenrollend eingefroren für ewig im Eis. Das ist ein Statement.

Ja, finde ich gut.

Ja gut, dann komm‘ ich mal zur klassischen Autoren-Abschlussfrage: Was liegt denn gerade auf deinem Schreibtisch oder was reizt dich als nächstes?

Aus einem meiner Stücke wird gerade ein Musical. Da bin ich dran. Und ich habe die tolle Aufgabe, das erste Mal ein Kinderstück für Kinder ab 4 Jahren zu schreiben. Das hatte ich noch nicht. Und das auch gemeinsam mit dem Ensemble zu entwickeln, dann auch so Rechercheworkshops in Kitas zu machen. Das ist alles wahnsinnig, wahnsinnig spannend. Darauf freue ich mich.

Ja, dann bist du ja heute genau im richtigen Stück drin.

Eben. (Alexander lacht.)

So, wir gehen nämlich gleich zur Premiere von »Rosi in der Geisterbahn«. Tschüss!

Wer kennt sie nicht – die Geschichte vom süßen Rotkäppchen und dem bösen Wolf der Brüder  Grimm aus ihrer weltberühmten Sammlung der »Kinder- und Hausmärchen«, die 1812 ihre erste Auflage erfährt und einen zentralen, kulturellen Schatz aus Geschichten bereithält, der seit mehr als zwei Jahrhunderten von Generation zu Generation auf der ganzen Welt weitererzählt wird und gerade im 19. und 20. Jahrhundert ein wichtiges moralisches Erziehungsmittel darstellte. Hier, beim Thema der Moral, setzt Dramatiker Sergej Gößner mit seiner Neufassung an und fragt danach, wie zeitgemäß die Grimmsche Version der Geschichte noch ist. Ist sie nicht voll von schwarzer Pädagogik und fragwürdiger Moral? Und auch ziemlich gruselig? Muss nicht jede gute Märchenerzähler*in die Geschichte auch hinterfragen und an das Publikum seiner Zeit anpassen? Keine Frage, das Märchen vom Rotkäppchen gehört zu unserem kulturellen Erbe und man sollte es kennen. Aber eben um etwas damit anzufangen und immer wieder zu fragen, fragen, fragen und sich mit der (Um-)Welt auseinanderzusetzen. So wie es unsere junge Heldin tut, wenn sie die Vorurteile der Erwachsenen mit einfachen Fragen (»Haben Sie schon mal mit einem Wolf gesprochen?«) entlarvt. Und genau das machen wir auch am RLT Neuss mit Sergej Gößners sprachverliebter und origineller Überschreibung, die die alte Geschichte gegen den Strich bürstet.

Das Märchen vom Rotkäppchen wurde unzählige Male in jedes erdenkliche Medium adaptiert, umgedichtet, neu geschrieben und war auch Grundlage und Zielscheibe für unzählige Witze, Scherze, Satiren und Parodien von ebenfalls jeder erdenklichen Qualität (Beispiel: Was ist braun, knusprig und spaziert durch den Wald?  - Brotkäppchen!).  Während viele jedoch die Um- und Weiterdichtungen kennen werden, ist eher unbekannt, dass »Rotkäppchen« nun eigentlich gar kein deutsches Märchen ist, sondern ein französisches. Letztlich lässt sich aber auch das nicht so einfach und klar sagen, weil Geschichten sich nicht an Grenzposten halten, die es im 17. Und 18. Jahrhundert ohnehin wenig gab. Auf Nummer sicher geht man aber, wenn man es als europäisches Volksmärchen bezeichnet, das nicht den einen Ursprung hat. Die erste schriftlich festgehaltene Version stammt jedenfalls aus dem Jahr 1697 von Charles Perrault aus den »Histoires ou Contes du temps passé«, also »Geschichten oder Erzählungen aus alter Zeit«. Perrault sagt es also schon im Titel: Er hat die Geschichte keineswegs erfunden, sondern ebenfalls nur aufgeschrieben und dann – wie alle, auch die Grimms – umgedichtet. Bei dem Franzosen Perrault geht es vor allem um: Sex (FSK 12 mindestens!). Die (Sexual-)Moral von der Geschicht‘ betrifft junge Mädchen im Übergang zur Pubertät, die sich besser nicht auf ältere, haarige, manipulative Männer einlassen sollen. Die Geschichte geht nicht gut aus. Am Ende sind die Großmutter und das Mädchen tot. Das war den Grimms für ihre Zwecke zu anstößig und zu wenig erbaulich und so machten sie es wie alle guten Märchenzähler und veränderten die Geschichte so, dass sie in die Moral ihrer Zeit passte. Das Rotkäppchen wurde jünger und damit kindlicher und der Wolf war weniger ein geiler Triebtäter als eine fremde Bestie. Hinzuerfanden sie den männlichen Retter, den Jäger, also eine Art mächtige Vaterfigur, die auch im dunklen Wald für Recht und Ordnung sorgen kann. Das weibliche Pendant zum Retter in letzter Not ist die mütterliche Autorität zu Beginn des Märchens, die dem Kind wichtige moralische Regeln mit auf den Weg gibt, vor allem nämlich, dass es diesen ja nicht verlassen soll!  Das Grimmsche Märchen sagt also auch: Hör auf deine Eltern! Das wird zweifellos auch heute noch vielen gefallen und daher wird die Grimmsche Version sicherlich ein Dauerbrenner am abendlichen Kaminfeuer der (groß)elterlichen Erzählkunst bleiben. Und nicht nur deswegen: Auch weil sie literarische Qualität hat. Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm gehörten zur Epoche der Romantik mit ihrem Faible für das Mittelalter und einem Hang zu Irrationalität und Phantastik. Während andere Märchenerzähler die Geschichten teils stark psychologisierten, gibt es bei den Grimms eine Offenheit und Mehrdeutigkeit in der Erzählweise – von der erwähnten Moral einmal abgesehen. Die genauen Motive von Rotkäppchen, Wolf und Großmutter bleiben weitestgehend im Dunklen und werden nicht psychologisch ausbuchstabiert. Auch das macht den archetypischen und geradezu ikonischen Charakter der Geschichte aus, die heute zu Recht jeder kennt und auf die sich Sergej Gößners Text und die Inszenierung am RLT anspielungsreich bezieht. Nur sind die Rollenvorzeichen hier geradezu umgekehrt, so dass manchmal aus Gut Böse und aus Naiv Klug oder umgekehrt wird. Dabei bleibt aber die Grundfunktion des Märchens, eine für die Zeit passende Moral zu finden, durchaus erhalten. Bei Sergej Gößner dürfen nun allerdings alle mitlernen, eben auch und gerade die vorurteilsbehafteten Erwachsenen, so dass am Ende alle neu sehen lernen – und die Welt auch ein gutes Stück heller geworden ist.


Hier haben wir Ihnen noch das Video eines ARTE-Beitrags verlinkt, der sehr ansprechend und detailverliebt auf die Geschichte des Rotkäppchen-Märchens in Deutschland und Frankreich eingeht. Viel Spaß beim Schauen!



Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rothem Sammet, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rothkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu ihm »komm, Rothkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf bevor es heiß wird, und wenn du hinaus kommst, so geh hübsch sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst das Glas und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre Stube kommst, so vergiß nicht guten Morgen zu sagen und guck nicht erst in alle Ecken herum.«

»Ich will schon alles gut machen« sagte Rothkäppchen zur Mutter, und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rothkäppchen aber wußte nicht was das für ein böses Thier war und fürchtete sich nicht vor ihm. »Guten Tag, Rothkäppchen,« sprach er. »Schönen Dank, Wolf.« »Wo hinaus so früh, Rothkäppchen?« »Zur Großmutter.« »Was trägst du unter der Schürze?« »Kuchen und Wein: gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zu gut thun, und sich damit stärken.« »Rothkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?« »Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen« sagte Rothkäppchen. Der Wolf dachte bei sich »das junge zarte Ding, das ist ein fetter Bissen, der wird noch besser schmecken als die Alte: du mußt es listig anfangen, damit du beide erschnappst.« Da gieng er ein Weilchen neben Rothkäppchen her, dann sprach er »Rothkäppchen, sieh einmal die schönen Blumen, die rings umher stehen, warum guckst du dich nicht um? ich glaube du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich singen? du gehst ja für dich hin als wenn du zur Schule giengst, und ist so lustig haußen in dem Wald.«

Rothkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah wie die Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten, und alles voll schöner Blumen stand, dachte es »wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude machen; es ist so früh am Tag, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme,« lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es weiter hinaus stände eine schönere, und lief darnach, und gerieth immer tiefer in den Wald hinein. Der Wolf aber gieng geradeswegs nach dem Haus der Großmutter, und klopfte an die Thüre. »Wer ist draußen?« »Rothkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach auf.« »Drück nur auf die Klinke,« rief die Großmutter, »ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.« Der Wolf drückte auf die Klinke, die Thüre sprang auf und er gieng, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann that er ihre Kleider an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.

Rothkäppchen aber war nach den Blumen herum gelaufen, und als es so viel zusammen hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich daß die Thüre aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dachte »ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heute zu Muth, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!« Es rief »guten Morgen,« bekam aber keine Antwort. Darauf gieng es zum Bett und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter, und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wunderlich aus. »Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!« »Daß ich dich besser hören kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!« »Daß ich dich besser sehen kann.« »Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!« »Daß ich dich besser packen kann.« »Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!« »Daß ich dich besser fressen kann.« Kaum hatte der Wolf das gesagt, so that er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rothkäppchen.

Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fieng an überlaut zu schnarchen. Der Jäger gieng eben an dem Haus vorbei und dachte »wie die alte Frau schnarcht, du mußt doch sehen ob ihr etwas fehlt.« Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er daß der Wolf darin lag. »Finde ich dich hier, du alter Sünder,« sagte er, »ich habe dich lange gesucht.« Nun wollte er seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben, und sie wäre noch zu retten: schoß nicht, sondern nahm eine Scheere und fieng an dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte gethan hatte, da sah er das rothe Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief »ach, wie war ich erschrocken, wie wars so dunkel in dem Wolf seinem Leib!« Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus und konnte kaum athmen. Rothkäppchen aber holte geschwind große Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, daß er gleich niedersank und sich todt fiel.

Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolf den Pelz ab und gieng damit heim, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein den Rothkäppchen gebracht hatte, und erholte sich wieder, Rothkäppchen aber dachte »du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat.«


Es wird auch erzählt, daß einmal, als Rothkäppchen der alten Großmutter wieder Gebackenes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen und es vom Wege habe ableiten wollen. Rothkäppchen aber hütete sich und gieng gerade fort seines Wegs und sagte der Großmutter daß es dem Wolf begegnet wäre, der ihm guten Tag gewünscht, aber so bös aus den Augen geguckt hätte: »wenns nicht auf offner Straße gewesen wäre, er hätte mich gefressen.« »Komm,« sagte die Großmutter, »wir wollen die Thüre verschließen, daß er nicht herein kann.« Bald darnach klopfte der Wolf an und rief »mach auf, Großmutter, ich bin das Rothkäppchen, ich bring dir Gebackenes.« Sie schwiegen aber still und machten die Thüre nicht auf: da schlich der Graukopf etlichemal um das Haus, sprang endlich aufs Dach und wollte warten bis Rothkäppchen Abends nach Haus gienge, dann wollte er ihm nachschleichen und wollts in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte was er im Sinn hatte. Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog, da sprach sie zu dem Kind »nimm den Eimer, Rothkäppchen, gestern hab ich Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie gekocht sind, in den Trog.« Rothkäppchen trug so lange, bis der große große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch von den Würsten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, daß er sich nicht mehr halten konnte, und anfieng zu rutschen: so rutschte er vom Dach herab, gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Rothkäppchen aber gieng fröhlich nach Haus, und that ihm niemand etwas zu Leid.

Illustration von Otto Kubel (1930)

Rotkäppchen (Charles Perrault, 1697)

Es war einmal in einem Dorf ein kleines Mädchen, das hübscheste, das man sich vorstellen konnte; seine Mutter war ganz in das Kind vernarrt, und noch vernarrter war seine Grossmutter. Diese gute Frau liess ihm ein rotes Käppchen machen, und weil ihm das so gut stand, nannte man es überall nur Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter, die gerade Fladen gebacken und zubereitet hatte, zu ihm: »Sieh einmal nach, wie es deiner Grossmutter geht, denn man hat mir gesagt, sie sei krank. Bring ihr einen Fladen und diesen kleinen Topf Butter.«

Rotkäppchen lief sogleich davon, um zu seiner Grossmutter zu gehen, die in einem anderen Dorf wohnte. Als es durch einen Wald kam, traf es den Gevatter Wolf, der grosse Lust hatte, es zu fressen; aber er wagte es nicht wegen einiger Holzfäller, die in dem Wald waren. Er fragte es, wohin es gehe. Das arme Mädchen, das nicht wusste, dass es gefährlich war, stehenzubleiben und einem Wolf zuzuhören, sagte zu ihm: »Ich besuche meine Grossmutter und bringe ihr einen Fladen und einen kleinen Topf Butter, die ihr meine Mutter schickt.« »Wohnt sie denn sehr weit?« fragte der Wolf.

»Oh ja«, sagte das kleine Rotkäppchen, »es ist noch ein Stück hinter der Mühle, die Ihr da unten seht, im ersten Haus vom Dorf.« »Na schön!« sagte der Wolf. »Dann will ich sie auch besuchen. Ich gehe diesen Weg hier, und du gehst den anderen Weg damal sehen, wer eher da ist.« Der Wolf lief aus Leibeskräften den Weg, der kürzer war, und das kleine Mädchen ging den längeren Weg, wobei es seine Freude daran hatte, Haselnüsse zu sammeln, Schmetterlingen nachzujagen und Sträusse aus den Blümchen zu binden, die es fand. Der Wolf brauchte nicht lange, um zum Haus der Grossmutter zu gelangen. Er klopfte an: poch, poch.

»Wer ist da?«

»Ich bin Euer Töchterchen Rotkäppchen«, sagte der Wolf, indem er seine Stimme verstellte, »und bringe Euch einen Fladen und einen kleinen Topf Butter, die Euch meine Mutter schickt.«

Die gute Grossmutter, die im Bett lag, weil sie ein wenig krank war, rief ihm zu: »Zieh den Pflock, dann fällt der Riegel.«

Der Wolf zog den Pflock, und die Tür ging auf. Er stürzte sich auf die gute Frau und verschlang sie im Nu, denn er hatte schon seit über drei Tagen nichts gegessen. Darauf schloss er die Tür wieder und ging hin und legte sich in das Bett der Grossmutter, um dort auf das kleine Rotkäppchen zu warten, das einige Zeit später kam und an die Tür klopfte: poch, poch.

»Wer ist da?«

Als Rotkäppchen die rauhe Stimme des Wolfs hörte, hatte es erst Angst, aber weil es meinte, die Grossmutter sei erkältet, gab es zur Antwort: »Ich bin Euer Töchterchen Rotkäppchen und bringe Euch einen Fladen und einen kleinen Topf Butter, die Euch meine Mutter schickt.«

Der Wolf rief ihm zu, indem er seine Stimme ein wenig sanfter machte: »Zieh den Pflock, dann fällt der Riegel.« Rotkäppchen zog den Pflock, und die Tür ging auf.

Als der Wolf sah, dass es hereinkam, versteckte er sich im Bett unter der Decke und sagte zu ihm: »Stell den Fladen und den kleinen Topf Butter auf den Backtrog und leg dich zu mir.«

Das kleine Rotkäppchen zieht sich aus und geht hin und legt sich in das Bett, wo es zu seinem allergrössten Erstaunen sah, wie seine Grossmutter ohne Kleider beschaffen war. Es sagte zu ihr:

»Grossmutter, was habt Ihr für grosse Arme!«

»Damit ich dich besser umfangen kann, mein Kind!«

»Grossmutter, was habt Ihr für grosse Beine!«

»Damit ich besser laufen kann, mein Kind!«

»Grossmutter, was habt Ihr für grosse Ohren!«

»Damit ich besser hören kann, mein Kind!«

»Grossmutter, was habt Ihr für grosse Augen!«

»Damit ich besser sehen kann, mein Kind!«

»Grossmutter, was habt Ihr für grosse Zähne!«

»Damit ich dich fressen kann!«

Und mit diesen Worten stürzte sich der böse Wolf auf Rotkäppchen und frass es.

Moral

Hier sieht man, dass ein jedes Kind und dass die kleinen Mädchen (die schon gar, so hübsch und fein, so wunderbar!) sehr übel tun, wenn sie vertrauensselig sind, und dass es nicht erstaunlich ist, wenn dann ein Wolf so viele frisst. Ich sag ein Wolf, denn alle Wölfe haben beileibe nicht die gleiche Art: Da gibt es welche, die ganz zart, ganz freundlich leise, ohne Böses je zu sagen, gefällig, mild, mit artigem Betragen die jungen Damen scharf ins Auge fassen und ihnen folgen in die Häuser, durch die Gassen doch ach, ein jeder weiss, gerade sie, die zärtlich werben, gerade diese Wölfe locken ins Verderben. 

 

Illustration von Gustave Doré (1862)

Damit ihr den Abschluss-Song nochmal nachhören und mitsingen könnt, gibt's hier eine Aufnahme davon und die Noten für euch. Viel Spaß!

 



Am Bühnenbild arbeiten Bühnenbildner*innen schon Monate vor Probenbeginn. Um eine anschauliche Vorstellung vom Bühnenbild zu entwickeln, erstellen sie maßstabsgetreue Modelle oder fertigen teils liebevoll bemalte Zeichnungen an, um diese dann mit der Regie und anderen mitwirkenden Künstler*innen teilen zu können. So entstehen die ersten Bilder im Kopf der Beteiligten, mit denen weitergearbeitet wird. Das können auch schon mal kleine Kunstwerke für sich werden, von denen wir euch nun einige besonders schöne Exemplare der Bühnenbildnerin Nina Wronka zeigen wollen.

Dorfplatz im Märchenwald. Stückbeginn.
Tief im Märchenwald
Bei der Großmutter
Koffer, beidseitig aufgeklappt.
Der Vorgarten der Großmutter

Wie die Bühne müssen auch die Kostüme für den Produktionsprozess veranschaulicht werden, bevor sie zur Anfertigung in Auftrag gegeben werden können. Das geschieht mit den sogenannten Figurinen. Es handelt sich um erste gezeichnete und bemalte Entwürfe, worauf die mitspielenden Schauspieler*innen im Kostüm zu sehen sind. So bekommen zunächst die Regie und später die Schauspieler*innen bei der ersten Probe, meist als Konzeptions- und Leseprobe bezeichnet, einen guten Eindruck davon, wie das Kostümbild der Inszenierung einmal aussehen wird. Das kann sich auch durchaus noch während des Probenprozesses weiterentwickeln, manchmal ist ein Entwurf aber auch von Beginn an so überzeugend geglückt und besticht durch Klarheit, Konsequenz und Phantasie, dass es im Folgenden keiner großen Änderungen bedarf. Hier seht ihr die Figurinen unserer Kostümbildnerin Nina Wronka.

Figurine Rotkäppchen
Figurine Herr Wolff
Figurine Großmutter
Figurine Jäger
Jäger mit Mantel
Frau Eberle
Herr Kleinlich
Wusel
Wiesel

Wie sieht ein Wolf aus und wie groß wird er?

Der europäische Wolf ist 70 bis 90 Zentimeter hoch und kann bis zu 140 Zentimeter lang werden. Die Fellfarbe der Wölfe weißt unterschiedliche Grautöne auf. Vom Gesamtaussehen her ähnelt der Wolf großen Haushunden.

Zu den besonderen Merkmalen eines erwachsenen Wolfs gehören: Ein heller Schnauzenbereich; kleine, dreieckige Ohren; der Schwanz hängt in der Regel runter und hat eine dunkle Spitze.

Wie leben Wölfe und wie funktioniert ein Rudel?

Wölfe sind ortstreue Tiere, die mit einem Rudel ein Revier bewohnen. Ein Wolfsrudel ist ein Familienverband, in dem unterschiedlich alte Wölfe zusammen leben. In einem Rudel leben ca. 8 Wölfe. Innerhalb des Rudels gibt es Elterntiere, Welpen und einjährige Wölfe aus dem Vorjahr. Wolfseltern dulden geschlechtsreife Jungtiere, die älter als zwei Jahre sind, meistens nicht, weshalb diese dann ihr eigenes Rudel gründen.

Sind Wölfe gefährlich?

Wenn gesunde Wölfe nicht provoziert oder angefüttert werden, sind sie nicht gefährlich für Menschen. Da der Gesuchs- und Gehörsinn von Wölfen sehr gut ist, vermeiden es die Tiere sich Menschen unnötig anzunähern.

Woher haben Wölfe den schlechten Ruf wie im Märchen?

Der schlechte Ruf von Wölfen kommt hauptsächlich daher, dass er als Hauptfressfeind von Vieh galt. Ein Überfall auf eine Viehherde war eine große Katastrophe für Bäuer*innen, da diese so ihre Lebensgrundlage verlieren konnten. Diese Ängste wurden viele Jahre lang weitergegeben und haben es so auch in bekannte Märchen geschafft.

In welchen Märchen kommt noch ein Wolf vor?

Unter anderem taucht der Wolf auch in diesen Märchen auf:

Der Wolf und die sieben Geißlein; Der Wolf und der Mensch; Iwan Zarewitsch, der Feuervogel und der graue Wolf; Der alte Sultan

Heulen Wölfe den Mond wirklich an?

Nein, das ist ein Irrglaube, der sich daher erklärt, dass Menschen den Wolf in mondklaren Nächten besser sehen können. Der eigentliche Grund, warum Wölfe heulen, ist, dass sie durch ihr Geheule auf sich aufmerksam machen wollen und die Stärke ihres Rudels deutlich machen. Das Heulen hilft, soziale Kontakte zu pflegen und sich in der Paarungszeit zu finden.

Wie viele Wölfe gibt es in Deutschland?

Lange galt der Wolf in Deutschland als ausgestorben, seit dem Jahr 2000 gibt es jedoch wieder Nachweise über Wölfe in Deutschland. Laut Angaben der DBBW (Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf) leben aktuell 113 Rudel, 1 Paar und 9 territoriale Einzeltiere in Deutschland.

Wo gibt es noch Wölfe und welche Arten?

Grundsätzlich gibt es nur eine Art Wolf auf der Welt, diese hat jedoch einige Unterarten. Anhand der Unterarten lässt sich erahnen, wo auf der Welt es noch Wölfe gibt. Einige Unterarten neben dem europäischen Wolf sind: der italienische Wolf; der Polarwolf; der indische Wolf, der arabische Wolf oder auch der mexikanische Wolf.
Die Unterarten unterscheiden sich neben ihrem Lebensraum in ihrer Größe oder Fellfarbe.

Text und Recherche: Felix Herfs

Während des Stücks macht sich Rotkäppchen auf den Weg zu seiner Großmutter. Dabei legt es einen langen Weg durch den Märchenwald zurück. Helft ihr in unserem Minispiel sich nicht im Märchenwald zu verirren.

Hier geht´s zum Minispiel »Das Märchenwald-Labyrinth«.
Bitte Beachten: Das Spiel läuft leider nur auf einem PC oder Laptop problemlos.

Fotos: Marco Piecuch

Katrin Hauptmann, Benjamin Schardt, Carl-Ludwig Weinknecht
Benjamin Schardt, Katrin Hauptmann, Anna Sonnenschein
Anna Sonnenschein, Carl-Ludwig Weinknecht, Katrin Hauptmann
Anna Sonnenschein, Antonia Schirmeister
Antonia Schirmeister
Benjamin Schardt
Anna Sonnenschein, Antonia Schirmeister, Benjamin Schardt
Carl-Ludwig Weinknecht, Antonia Schirmeister, Benjamin Schardt, Anna Sonnenschein
Antonia Schirmeister, Anna Sonnenschein
Benjamin Schardt, Antonia Schirmeister, Anna Sonnenschein, Katrin Hauptmann, Carl-Ludwig Weinknecht

 

 

 

 

 

 

 

DatenschutzAGBImpressum